NEUE ARBEITEN / Harald Birklhuber von Mag. Wolfgang Modera
Text zur Ausstellung in der Berufsvereinigung Bildender Künstler Oberösterreich, Landeskulturzentrum Ursulinenhof, 4020 Linz Landstraße von Mag. WOLFGANG MODERA Die Bilder von Harald Birklhuber veranlassen BetrachterInnen, die Frage zu reflektieren, was denn nun ein Bild sei. Die visuelle Potenz seiner Werke legt diese Frage nahe. Denn eines scheint sicher: es geht ihm nicht um die vordergründige, möglichst wirklichkeitsgetreue Abbildung von Realität, sondern um die Darstellung des Ergebnis eines inneren Fermentations- und Gestaltungsprozesses, der seinen Ausgangspunkt in der uns umgebenden Wirklichkeit findet. Was also ist für Harald Birklhuber ein Bild, sein Bild? Sarah Kofmann verweist darauf, dass sämtliche Funktionen, die ein Bild ausüben kann, entweder in der Darstellung von Wirklichkeit, also Gegenständen, Körpern aus unserer Welt sein können, oder innerbildliche Darstellung, die nach eigenen Gesetzen funktionieren. Dieses Spannungsfeld wird auch in den Arbeiten Harald Birklhubers deutlich. Die der Welt des Gegenständlichen verpflichteten Werke zeigen uns einen Handwerker im besten Sinn. Harald Birklhuber versteht sich auf das Malen (Umgang mit Farben und der Wiedergabe von Wirklichkeit). Birklhuber fühlt sich der großen Tradition des expressiven Gestus verpflichtet. Nicht ohne Grund sind für ihn die “klassischen” Expressiven der österreichischen Kunst der Vorkriegszeit bedeutsame Anreger und Gefährten über die Zeiten hinweg. Hier gilt es den verehrten Herbert Böckl als einen von vielen zu nennen. Im besten Sinne ist Harald Birklhuber mit diesem Referenzpunkt in der Lage, diese Tradition in einem zeitgemäßen Sinn weiterzuführen. Und das ist nicht selbstverständlich: war doch die gegenständliche Darstellung durch die Nazis diskreditiert und daher in der österreichischen Malerei der Nachkriegszeit nicht vorrangig und eher verpönt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass über lange Zeiten der ungegenständlichen Malerei der Vorzug an Österreichs Ausbildungsstätten gegeben wurde. Birklhubers Anknüpfen an diese Tradition ist allein schon eine eigenständige, bedeutsame Leistung. Birklhuber stellt sich nicht in diese Tradition, sondern führt über sie hinaus. Denn, ist es nicht so, dass seine Augen, die des 21. Jahrhunderts sind. Er ist ganz Auge, das sich den visuellen Reizen der Umwelt völlig hingibt. Es gibt nichts, was nicht Bild werden kann, nichts ist verpönt oder ausgeschlossen. Alles hat das Potential Anregung und Anstiftung für eine expressive Gestaltung zu werden. Was Wunder, dass der pastose Farbauftrag auf das “retinale Sehen” abzielt und eigene Wirklichkeiten zu schaffen vermag. Dieser Farbauftrag, der meist die Farben in ihrer Reinheit gegeneinander stellt, schafft Raum, indem der Sehraum kraft der Farbe hin zum Betrachter erweitert und gestaltet wird. Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass nicht nur der Betrachter des Bildes, sondern dass auch das Bild den Betrachter ansieht. Hier sind wir Zeugen dieser kraftvollen Wechselwirkung. Diese Art die Welt zu sehen und ihr ein Bild zu geben, kennen wir von Harald Birklhuber. Ganz anders verhält es sich nun mit den “neuen” Werken des aktuellen Schaffens. Nicht mehr die Natur ist es, die das Thema und den Gegenstand der Darstellung vorrangig bildet. Der Maler Birklhuber findet einen neuen Topos: die menschliche Figur. Auch der Farbauftrag ändert sich; die Farbe wird nun auch lasierend, transparent eingesetzt. Wesentlich scheint mir auch, dass die Farbe zwar zur Kennzeichnung und Gestaltung von Körperformen verwendet wird, aber eben nicht nur. Allzu oft werden die Grenzen der Fläche von der Farbe überwunden. Die Farbe zeigt sich in ihrem Eigenleben und korrespondiert in einem eigenen Bild-und Zeichenraum. Während in den expressiven Bildern die Farbe ident mit dem Körper eingesetzt wird und damit selbst zum Körper wird, erhält sie nun – in Bezug auf die Körperformen – Verweischarakter. Nicht mehr ausschließlich die Gegenstände und Formen werden bezeichnet, sondern eine eigene Wirklichkeit wird gestaltet. Damit gelingt es Birklhuber einen Tiefenraum zu schaffen, der sogleich die Blicke des Betrachters in die Bild-Innen-Welt führt. Dieses Hinführen in eigenständige, von der Welt des Gegenständlichen abgeschälte Wirklichkeit spiegelt sich auch in der veränderten Motivwahl. Die Welt des Menschen mit seiner Materialität UND seiner Intellektualität/Geistigkeit ist nun das Ziel der Gestaltung. Dies zeigt sich auch in der Hinwendung zu sprachlichen Zeichen: Wörter, die eben nicht nur das mit dem Wort gemeinte ausdrücken, sondern erst recht auf die Welt des Geistes verweisen. Die bei einem ersten Blick zu vermutende soziale Kritik, die sich in den Bildern ausdrückt, mag zwar gesehen und so vom Betrachter als Anregung begriffen werden. Letztlich ist es nicht das entscheidende Movens für die Arbeiten Harald Birklhubers. Auch in dieser Hinsicht ist er ganz dem retinalen Sehen und den Gesetzen der Komposition, der Farbakkorde und Farbkontraste verpflichtet. Birklhuber ist bei allen Arbeiten als Maler tätig und weiß sich den Gestaltungprinzipien des “klassischen” Tafelbildes verpflichtet. Nichtsdestotrotz ist er ein Gegenwärtiger, der sich den Fragen der Zeit stellt und sie in seine Bilder integrativ bearbeitet. Das sozialkritische Element wird nicht durch das Thema, sondern durch die Gesetze von Farbe und Raumaufteilung, der Spannung von Flächen und Linien behandelt und für den Betrachter erlebbar. Gerade dieser doppelte Verweis ist es, der die Kontinuität der Arbeiten von Harald Birklhuber belegt. Immer geht es Birklhuber um das gelungene Bild. Und das findet er nicht im Thema, sondern in den jeweiligen Gestaltungsüberlegungen und Prinzipien. Und diese beherrscht Harald Birklhuber meisterlich. Diese Bilder dokumentieren einen spannenden Prozess: wird getreu eben der von Birklhuber verehrten klassischen Moderne als Entwicklungsrichtung vom Gegenstand zur Abstraktion gedacht, so ist er nun offensichtlich im Begriff, die gegenständliche Darstellung zwar nicht aufzugeben, aber doch in Richtung Abstraktion zu erweitern. Egal, wie sich Harald Birklhuber weiterentwickelt, er wird ein meisterlicher Maler bleiben, der aus dem Vollen des wohl erworbenen handwerklichen Fundus schöpfen kann. Spannend wird es allemal. Doch bis dahin beschenkt er uns mit wahrlich meisterlichen Bildern, die das von Kofmann aufgezeichnete Spannungsfeld auflösen und in sich integrieren. Seine neuen Bilder sind Darstellung und Abbildung des Gegenständlichen UND Spiel nach den eigenen Gesetzen zugleich.
Mag. Wolfgang Modera.