Die Welt ist alles, was Farbe ist.

„Ich hoffe, meine Bilder haben mit Wahrheit zu tun!

Wissen Sie, ich versuche zu zeigen, was ich sehe.“

Jim Dine

Die Welt ist alles, was Farbe ist.

Zur Malerei von Harald Birklhuber

Der Maler Harald Birklhuber ist ein wichtiger Vertreter der gegenstandsbezogenen Kunst in der Tradition der Klassischen Moderne. Seit seinem Studium der Malerei und Grafik setzt er sich konsequent von Zeitströmungen ab und bleibt seiner einmal gefundenen malerischen Auffassung treu. So sehr seine verschiedenen Werkphasen zeitgebunden sind und die ihn zum jeweiligen Zeitpunkt beschäftigenden Fragestellungen aufnehmen, so sehr zeigen alle Bilder seine unverwechselbare Handschrift, seinen ihm eigenen Stil.

Sarah Kofmann verweist darauf, dass die Funktion eines Bildes entweder in der Darstellung von Wirklichkeit, also Gegenständen, Körpern aus unserer Welt, oder in innerbildlichen Darstellungen, die eigenen Gesetzen gehorchen, besteht.

Augenscheinlich beschäftigt sich auch der Maler Harald Birklhuber mit den großen Themen der Malerei Landschaft, Architektur und Menschen, im Kofmannschen Sinn also der Darstellung von Wirklichkeit. Die hier zu begleitende Werkübersicht bietet uns Landschaften,

Reiseeindrücke und Urlaubsimpressionen, Menschen in Alltagssituationen und schließlich Stadtlandschaften. Bereits ein flüchtiger Blick zeigt, dass sie, die Bilder, von keinen revolutionären Sprüngen in seiner künstlerischen Entwicklung künden, sondern eine Evolution, ein Reifen, ein Ausweiten und Abwandeln der Themen und des handwerklichen Instrumentariums belegen. Das verbindende Element liegt – wie könnte es anders sein – in der Weltsicht und damit der Persönlichkeit des Künstlers Harald Birklhuber begründet.

Früh schon hat er seine Antwort auf die alle Maler betreffende Frage, was denn nun ein Bild sei und was dabei Malerei zu leisten habe, gefunden. Weil sich diese Frage bei jedem Bild aufs Neue stellt, dokumentieren seine Bilder eine kontinuierliche Selbstvergewisserung, ob denn die einmal gegebene Antwort noch immer zutreffend sei. Seine Bilder veranlassen ihre Betrachter, die Frage nach dem Wesen des Bildes auch für sie selbst zu reflektieren. Die visuelle Potenz seiner Werke legt dies nahe.

Zweifellos ist Birklhuber an der Wirklichkeit interessiert. Er bildet Wirklichkeit ab und bekennt sich stets zum Gegenstand. Gleichzeitig gelingt es ihm mit seinem Stil, neue

Bildwirklichkeiten zu schaffen. Denn eines scheint sicher: es geht ihm nicht allein um die vordergründige, möglichst wirklichkeitsgetreue Abbildung von Gegenständen, sondern um die Darstellung des Ergebnisses eines inneren Verarbeitungs- und Gestaltungsprozesses, der seinen Ausgangspunkt in der uns umgebenden Wirklichkeit findet.

Charakteristisch ist auch, dass alles zum Bild werden kann; er ist kein thematisch festgelegter Maler. Dies freilich nicht zuletzt deshalb, weil er in handwerklicher Hinsicht keine Beschränkungen kennt. Ist er von einer Situation beeindruckt, so überlässt er sich völlig der in ihm ausgelösten Stimmung. Als geübter Zeichner erfasst er das strukturell Typische des Gegenstands und legt damit den Aufbau des Bildes fest. Das Detail interessiert ihn dabei oft nur insoweit, als es für die Beschreibung der jeweiligen Situation, des jeweiligen

Gegenstandes notwendig ist. Naturgemäß kommt bei ihm dem Farbauftrag eine besondere Bedeutung zu. Meist werden Farben in ihrer Reinheit gegeneinander gestellt. Einmal werden die Farben in ihrer Materialität pastos verwendet und geben damit ein kräftiges

Lebenszeichen ab. Dann wiederum erfolgt der Farbauftrag lasierend und führt zu einer völlig anderen Bildwirkung.

Gerade mit seiner Farbbehandlung zeigt sich Birklhuber der großen Tradition des expressiven Gestus verpflichtet. Nicht ohne Grund sind für ihn die Expressiven der österreichischen Kunst der Vorkriegszeit bedeutsame Anreger und Gefährten über die Zeiten hinweg. Stellvertretend für viele sei der von ihm verehrte Herbert Böckl genannt. Im besten Sinne ist Harald Birklhuber mit diesem Referenzpunkt in der Lage, sich in diese Tradition einzureihen und sie zeitgemäß und eigenständig weiterzuführen. Denn, ist es nicht so, dass seine Augen die eines Menschen und Künstlers des 21. Jahrhunderts sind. Bewusst hat sich

Birklhuber der Gegenständlichkeit verschrieben. Obwohl er keinesfalls ein intellektueller Maler und schon gar kein Postmoderner, für den die Dekonstruktion und die Reduktion künstlerischer Fragestellungen von vorrangiger Bedeutung sind, ist, reflektiert er dennoch die aktuellen Entwicklungen der Kunst sehr genau. Die Macht des Sehens und ihre

Anverwandlung ist für ihn zentraler Antrieb. So sehr er der Welt der Gegenstände verpflichtet ist,  verwundert es nicht, dass sein Interesse als Künstler eben nicht einem speziellen Thema und in der Folge einem spezifischen Arsenal von Bildmotiven gilt, sondern den Gesetzen von Farbe und Komposition, den Spannungsverhältnissen von Flächen und Linien im Bildraum. Und diese Parameter sind so grundlegend, dass sie unabhängig vom Motiv untersucht werden können. Alles hat das Potential, Anregung und Anstiftung für seine malerische Umsetzung zu werden. Was Wunder, dass der für ihn typische Farbauftrag zwar primär auf das retinale Sehen abzielt und dabei selbst eigene Wirklichkeiten zu schaffen vermag. Auch hier ist er ganz dem Seh- und Empfindungseindruck und seiner Wiedergabe in fermentierter Form als Bild verpflichtet. Damit gilt das Hauptaugenmerk beim Malvorgang den Gesetzen der Komposition, der Farbakkorde, Farbkontraste. Eine intensive Betrachtung der Werke lässt uns erfahren, dass Birklhuber bei allen Arbeiten mit Herz, Hand und Hirn tätig ist und die Gestaltungsprinzipien des klassischen Tafelbildes meisterlich umzusetzen weiß.

Immer geht es ihm um das – zuvorderst für ihn selbst – gelungene Bild. Und das findet er nicht in der Übereinstimmung der Darstellung mit der Wirklichkeit, sondern in der Übereinstimmung des Gemalten mit dem von ihm Gefühlten. Hier werden nun den Farben jene Werte zugewiesen, die sich aus der schöpferischen Verarbeitung des Gesehenen ergeben. Nunmehr sind es seine Farben und Formen, die die gesehene Wirklichkeit abbilden. Einziges Regulativ sind nun die vom Arbeitsprozess her vorgegebene Stimmigkeit, die sich am besten mit der Erfüllung der innerbildlichen Vorgaben beschreiben lässt. Ab diesem Moment ist es eben Malerei und nicht mehr streng wirklichkeitsgetreue Wiedergabe.

Würde man bei der Betrachtung der malerischen Wiedergabe der gegenständlichen Welt verharren, so würde man eine wesentliche – und für Birklhuber mindestens ebenso wichtige

– Erfahrung nicht machen. All seiner malerischen Konkretisierungen und dem

Gegenständlichen verpflichteten Darstellungsweise zum Trotz, legt er Fährten und Spuren zu anderen Wahrnehmungsdimensionen. Viele seiner mit Bedacht und Gespür ausgewogen komponierten Bilder weisen Stellen der Unbestimmtheit auf, in denen die Farben autonom für sich selbst stehen und die Bildaussagen verstärken, sie gleichzeitig auf eine andere Bedeutungsebene als die augenscheinlich dargestellte heben. Man betrachte dazu die jeweiligen einzelnen Ausschnitte, die in fast jedem Bild enthalten sind. In diesen Stellen der Unbestimmtheit weisen die Bilder gewissermaßen ein Aussage-/Interpretationsloch auf. Hier wirkt nur mehr die Farbe und sonst nichts – sie ist hier von jeder zusätzlichen Funktion befreit und unterliegt im Sinne Kofmanns ausschließlich den innerbildlichen Gesetzen. Für uns Betrachter stellt sich dies so dar: im Modus „Vollbild“ sehen wir das Bild eines Gegenstandes, einer Lebenssituation – also eines Motivs als solches. Der Gesamteindruck der sich aus Farben, Raumverhältnissen, dem Gestus des Pinselstrichts etc. zusammensetzt, überwältigt uns und ergibt für sich genommen bereits ein fertiges Bild.

Schalten wir nun unser Sehen auf den „Zoom-Modus“, so entdecken wir eine völlig andere

Welt. Es sind nun nicht mehr die abgebildeten Gegenstände als solche, sondern

Farbflächen, die ungegenständlich ausgeführt wurden. Gleitet nun unser Blick im „ZoomModus“ weiter über das Bild, also auch jene Bereiche, die einem Gegenstand zugehörig sind, so sehen wir auch hier Farbflächen und eben keine Gegenstände! Und so betrachten wir nun die eigentliche Welt des Malers Harald Birklhuber; es ist die Welt der Farben und ihrer Wechselwirkung. Gerade die Stellen der Unbestimmtheit tragen somit wesentlich dazu bei, dass der Betrachter der Birklhuberschen Bilder Zugänge zu einer für ihn neuen Welt – eben dem Resultat der Birklhuberschen Auffassung und Verarbeitung von Sinneseindrücken – findet. Im Wechsel der Modi „Vollbild“ und „Zoom“ zeigen sich die Bilder nun gleichsam in ihrer Gesamtheit. Unsere Seh- und letztlich auch Bilderfahrungen wechseln zwischen gegenständlich und ungegenständlich ständig hin und her. Damit erschließen wir uns erst recht den vollen Reichtum seiner Bilder.

Würde man diese Stellen als autonome Bilder sehen, so würden sie für sich genommen jederzeit als Beispiele ungegenständlicher Malerei bestehen können. Birklhuber entpuppt sich in dieser Lesart als ungegenständlicher Maler; oder anderes gesagt: als Maler, der auch die ungegenständliche Darstellung meisterlich beherrscht – wenn er es denn damit bewenden lassen wollte.

Als erstaunliches und bemerkenswertes Phänomen ist nun festzuhalten – und das ist typisch für Birklhuber – , dass seine Bilder immer ein Seh-Angebot und nicht eine quasi diktatorische Verfügung bieten. Der Maler und sein Bild lassen den BetrachterInnen eine große Freiheit, wie die Kommunikation mit dem Bild nun angelegt werden will. Und gerade diese Freiheit und dieser innerbildliche Wechsel zwischen Gegenstandsbezogenheit und ungegenständlichen Farbräumen sind es, die dazu beitragen, dass Birklhubers Bilder über lange Zeiträume Anlass für Entdeckungen bieten und man sich nicht „satt sehen“ kann.

Sein bisheriges Oeuvre belegt eindrücklich, dass es ihm gelingt, regelrechte Augenweiden zu schaffen – also Bildbereiche, die unsere Augen richtiggehend einladen, intensiv gesehen zu werden.

Viele Bilder drücken mit ihren in hochrhythmischen, kraftvollen Strichen aufgelegten Farbschichten die Freude am Leben aus. Für die lebensfrohe Grundstimmung der Bilder sind neben den offensichtlichen Bildinhalten die ebenso sorgfältig gewählten Farben von besonderer Bedeutung. Die von ihm gewählten Bildausschnitte verstärken diese Wirkung noch zusätzlich.

Dies zeigt sich besonders bei jenen Bildern, die  – wären sie Fotos – als Schnappschüsse zu bezeichnen wären. Wir sehen Menschen, die sich in Alltagssituationen im Raum verhalten. Bei diesen Bildern kommt es ihm freilich nicht auf ein konkretes Porträt an, sondern vielmehr auf die Darstellung von Menschentypen in modellhaften Situationen. Sowohl der Gesichtsausdruck als auch die Gestik vermitteln uns die entsprechenden, tausendmal gesehenen und auch in unserer Körpererinnerung gespeicherten Wahrnehmungen. Diese Erinnerung schließlich ist es, die uns ein Wiederfinden, ein Einswerden mit der dargestellten

Situation ermöglicht. Eine nicht geringe Leistung des Malers Birklhuber! Gesteigert wird die

Wirkung durch die bei der Darstellung der Menschen verwendeten Farben und die Einbettung der Figuren in den sie umgebenden Farbraum. Dabei sucht der Maler selbst seine Farben und ist nicht mehr den Gegenstandsfarben unterworfen. Der Seheindruck wird korrigiert, wenn die gesehene Farbe nicht mehr in den Farbraum des Bildes passt. Mit diesem hochkünstlerischen Anspruch wird die Farbe selbst zum eigentlichen Gegenstand des Bildes. Das Bild selbst ist Dokument dieses Auswahl- und Entscheidungsprozesses.

Bei anderen Bildern zeigt sich dieses Verfahren in einem abgewandelten Sinn. Bilder, die an sich „fertiggemalt“ sind, werden in einem zusätzlichen weiteren Arbeitsschritt durch zusätzliche, eigenständige Farbschichten bedeckt, sodass eine weitere Tiefendimension – in einzelnen Bildern schließlich am Ende viele verschiedene Schichten – geschaffen wird.

Gerade dieses Verschütten, Verdecken, Verstecken löste einen besonderen Sehreiz und damit ein besonderes Interesse am Bild aus. Das Bild beginnt tatsächlich gerade durch sein vermeintliches Verschweigen des Gegenstandes zu sprechen.

Bei manchen Bildern zeigt sich, dass – obwohl es ihm letztlich immer um die Farbe an sich geht – ihn doch der Gegenstand nicht so einfach loslässt. Immer wieder blitzt er auf oder wird – in einer gänzlich nicht-malerischen Weise – gar als Collage ins Bild integriert wird.

Birklhubers Arbeiten sind ein eindrücklicher Beleg für die Kraft der gegenstandsbezogenen

Malerei. Allerdings, und dies kann nicht überbewertet werden, dient ihm die Orientierung am Gegenstand als Einstieg, als Movens für eine weit in die gegenstandslose Welt der Malerei hineinreichende Gestaltung. Gerade diese Integration von gegenständlicher und ungegenständlicher Darstellung in einem Bild ist es, die die Aktualität und Bedeutung des Malers Harald Birklhuber ausmacht.

Wenn nun Kofmann von sämtlichen Funktionen eines Bildes spricht und damit die

 

Ausdrucksform Bild umfassend beschreiben will, so kann dies auch so gelesen werden, dass ein Maler, der sowohl den Gesetzmäßigkeiten der Darstellung von Wirklichkeit, als auch der innerbildlichen Darstellung mit seinen malerischen Mitteln gewachsen ist, wohl ein umfassender Maler ist. Harald Birklhuber ist wohl einer dieser Seltenen.

„Ich hoffe, meine Bilder haben mit Wahrheit zu tun!

Wissen Sie, ich versuche zu zeigen, was ich sehe.“

Jim Dine

Die Welt ist alles, was Farbe ist.

Zur Malerei von Harald Birklhuber                                                                                                 

Der Maler Harald Birklhuber ist ein wichtiger Vertreter der gegenstandsbezogenen Kunst in der Tradition der Klassischen Moderne. Seit seinem Studium der Malerei und Grafik setzt er sich konsequent von Zeitströmungen ab und bleibt seiner einmal gefundenen malerischen Auffassung treu. So sehr seine verschiedenen Werkphasen zeitgebunden sind und die ihn zum jeweiligen Zeitpunkt beschäftigenden Fragestellungen aufnehmen, so sehr zeigen alle Bilder seine unverwechselbare Handschrift, seinen ihm eigenen Stil.

Sarah Kofmann verweist darauf, dass die Funktion eines Bildes entweder in der Darstellung von Wirklichkeit, also Gegenständen, Körpern aus unserer Welt, oder in innerbildlichen Darstellungen, die eigenen Gesetzen gehorchen, besteht.

Augenscheinlich beschäftigt sich auch der Maler Harald Birklhuber mit den großen Themen der Malerei Landschaft, Architektur und Menschen, im Kofmannschen Sinn also der Darstellung von Wirklichkeit. Die hier zu begleitende Werkübersicht bietet uns Landschaften,

Reiseeindrücke und Urlaubsimpressionen, Menschen in Alltagssituationen und schließlich Stadtlandschaften. Bereits ein flüchtiger Blick zeigt, dass sie, die Bilder, von keinen revolutionären Sprüngen in seiner künstlerischen Entwicklung künden, sondern eine Evolution, ein Reifen, ein Ausweiten und Abwandeln der Themen und des handwerklichen Instrumentariums belegen. Das verbindende Element liegt – wie könnte es anders sein – in der Weltsicht und damit der Persönlichkeit des Künstlers Harald Birklhuber begründet.

Früh schon hat er seine Antwort auf die alle Maler betreffende Frage, was denn nun ein Bild sei und was dabei Malerei zu leisten habe, gefunden. Weil sich diese Frage bei jedem Bild aufs Neue stellt, dokumentieren seine Bilder eine kontinuierliche Selbstvergewisserung, ob denn die einmal gegebene Antwort noch immer zutreffend sei. Seine Bilder veranlassen ihre Betrachter, die Frage nach dem Wesen des Bildes auch für sie selbst zu reflektieren. Die visuelle Potenz seiner Werke legt dies nahe. 

Zweifellos ist Birklhuber an der Wirklichkeit interessiert. Er bildet Wirklichkeit ab und bekennt sich stets zum Gegenstand. Gleichzeitig gelingt es ihm mit seinem Stil, neue

Bildwirklichkeiten zu schaffen. Denn eines scheint sicher: es geht ihm nicht allein um die vordergründige, möglichst wirklichkeitsgetreue Abbildung von Gegenständen, sondern um die Darstellung des Ergebnisses eines inneren Verarbeitungs- und Gestaltungsprozesses, der seinen Ausgangspunkt in der uns umgebenden Wirklichkeit findet. 

Charakteristisch ist auch, dass alles zum Bild werden kann; er ist kein thematisch festgelegter Maler. Dies freilich nicht zuletzt deshalb, weil er in handwerklicher Hinsicht keine Beschränkungen kennt. Ist er von einer Situation beeindruckt, so überlässt er sich völlig der in ihm ausgelösten Stimmung. Als geübter Zeichner erfasst er das strukturell Typische des Gegenstands und legt damit den Aufbau des Bildes fest. Das Detail interessiert ihn dabei oft nur insoweit, als es für die Beschreibung der jeweiligen Situation, des jeweiligen

Gegenstandes notwendig ist. Naturgemäß kommt bei ihm dem Farbauftrag eine besondere Bedeutung zu. Meist werden Farben in ihrer Reinheit gegeneinander gestellt. Einmal werden die Farben in ihrer Materialität pastos verwendet und geben damit ein kräftiges

Lebenszeichen ab. Dann wiederum erfolgt der Farbauftrag lasierend und führt zu einer völlig anderen Bildwirkung. 

Gerade mit seiner Farbbehandlung zeigt sich Birklhuber der großen Tradition des expressiven Gestus verpflichtet. Nicht ohne Grund sind für ihn die Expressiven der österreichischen Kunst der Vorkriegszeit bedeutsame Anreger und Gefährten über die Zeiten hinweg. Stellvertretend für viele sei der von ihm verehrte Herbert Böckl genannt. Im besten Sinne ist Harald Birklhuber mit diesem Referenzpunkt in der Lage, sich in diese Tradition einzureihen und sie zeitgemäß und eigenständig weiterzuführen. Denn, ist es nicht so, dass seine Augen die eines Menschen und Künstlers des 21. Jahrhunderts sind. Bewusst hat sich

Birklhuber der Gegenständlichkeit verschrieben. Obwohl er keinesfalls ein intellektueller Maler und schon gar kein Postmoderner, für den die Dekonstruktion und die Reduktion künstlerischer Fragestellungen von vorrangiger Bedeutung sind, ist, reflektiert er dennoch die aktuellen Entwicklungen der Kunst sehr genau. Die Macht des Sehens und ihre

Anverwandlung ist für ihn zentraler Antrieb. So sehr er der Welt der Gegenstände verpflichtet ist,  verwundert es nicht, dass sein Interesse als Künstler eben nicht einem speziellen Thema und in der Folge einem spezifischen Arsenal von Bildmotiven gilt, sondern den Gesetzen von Farbe und Komposition, den Spannungsverhältnissen von Flächen und Linien im Bildraum. Und diese Parameter sind so grundlegend, dass sie unabhängig vom Motiv untersucht werden können. Alles hat das Potential, Anregung und Anstiftung für seine malerische Umsetzung zu werden. Was Wunder, dass der für ihn typische Farbauftrag zwar primär auf das retinale Sehen abzielt und dabei selbst eigene Wirklichkeiten zu schaffen vermag. Auch hier ist er ganz dem Seh- und Empfindungseindruck und seiner Wiedergabe in fermentierter Form als Bild verpflichtet. Damit gilt das Hauptaugenmerk beim Malvorgang den Gesetzen der Komposition, der Farbakkorde, Farbkontraste. Eine intensive Betrachtung der Werke lässt uns erfahren, dass Birklhuber bei allen Arbeiten mit Herz, Hand und Hirn tätig ist und die Gestaltungsprinzipien des klassischen Tafelbildes meisterlich umzusetzen weiß. 

Immer geht es ihm um das – zuvorderst für ihn selbst – gelungene Bild. Und das findet er nicht in der Übereinstimmung der Darstellung mit der Wirklichkeit, sondern in der Übereinstimmung des Gemalten mit dem von ihm Gefühlten. Hier werden nun den Farben jene Werte zugewiesen, die sich aus der schöpferischen Verarbeitung des Gesehenen ergeben. Nunmehr sind es seine Farben und Formen, die die gesehene Wirklichkeit abbilden. Einziges Regulativ sind nun die vom Arbeitsprozess her vorgegebene Stimmigkeit, die sich am besten mit der Erfüllung der innerbildlichen Vorgaben beschreiben lässt. Ab diesem Moment ist es eben Malerei und nicht mehr streng wirklichkeitsgetreue Wiedergabe.

Würde man bei der Betrachtung der malerischen Wiedergabe der gegenständlichen Welt verharren, so würde man eine wesentliche – und für Birklhuber mindestens ebenso wichtige

– Erfahrung nicht machen. All seiner malerischen Konkretisierungen und dem

Gegenständlichen verpflichteten Darstellungsweise zum Trotz, legt er Fährten und Spuren zu anderen Wahrnehmungsdimensionen. Viele seiner mit Bedacht und Gespür ausgewogen komponierten Bilder weisen Stellen der Unbestimmtheit auf, in denen die Farben autonom für sich selbst stehen und die Bildaussagen verstärken, sie gleichzeitig auf eine andere Bedeutungsebene als die augenscheinlich dargestellte heben. Man betrachte dazu die jeweiligen einzelnen Ausschnitte, die in fast jedem Bild enthalten sind. In diesen Stellen der Unbestimmtheit weisen die Bilder gewissermaßen ein Aussage-/Interpretationsloch auf. Hier wirkt nur mehr die Farbe und sonst nichts – sie ist hier von jeder zusätzlichen Funktion befreit und unterliegt im Sinne Kofmanns ausschließlich den innerbildlichen Gesetzen. Für uns Betrachter stellt sich dies so dar: im Modus „Vollbild“ sehen wir das Bild eines Gegenstandes, einer Lebenssituation – also eines Motivs als solches. Der Gesamteindruck der sich aus Farben, Raumverhältnissen, dem Gestus des Pinselstrichts etc. zusammensetzt, überwältigt uns und ergibt für sich genommen bereits ein fertiges Bild.

Schalten wir nun unser Sehen auf den „Zoom-Modus“, so entdecken wir eine völlig andere

Welt. Es sind nun nicht mehr die abgebildeten Gegenstände als solche, sondern

Farbflächen, die ungegenständlich ausgeführt wurden. Gleitet nun unser Blick im „ZoomModus“ weiter über das Bild, also auch jene Bereiche, die einem Gegenstand zugehörig sind, so sehen wir auch hier Farbflächen und eben keine Gegenstände! Und so betrachten wir nun die eigentliche Welt des Malers Harald Birklhuber; es ist die Welt der Farben und ihrer Wechselwirkung. Gerade die Stellen der Unbestimmtheit tragen somit wesentlich dazu bei, dass der Betrachter der Birklhuberschen Bilder Zugänge zu einer für ihn neuen Welt – eben dem Resultat der Birklhuberschen Auffassung und Verarbeitung von Sinneseindrücken – findet. Im Wechsel der Modi „Vollbild“ und „Zoom“ zeigen sich die Bilder nun gleichsam in ihrer Gesamtheit. Unsere Seh- und letztlich auch Bilderfahrungen wechseln zwischen gegenständlich und ungegenständlich ständig hin und her. Damit erschließen wir uns erst recht den vollen Reichtum seiner Bilder.

Würde man diese Stellen als autonome Bilder sehen, so würden sie für sich genommen jederzeit als Beispiele ungegenständlicher Malerei bestehen können. Birklhuber entpuppt sich in dieser Lesart als ungegenständlicher Maler; oder anderes gesagt: als Maler, der auch die ungegenständliche Darstellung meisterlich beherrscht – wenn er es denn damit bewenden lassen wollte.

Als erstaunliches und bemerkenswertes Phänomen ist nun festzuhalten – und das ist typisch für Birklhuber – , dass seine Bilder immer ein Seh-Angebot und nicht eine quasi diktatorische Verfügung bieten. Der Maler und sein Bild lassen den BetrachterInnen eine große Freiheit, wie die Kommunikation mit dem Bild nun angelegt werden will. Und gerade diese Freiheit und dieser innerbildliche Wechsel zwischen Gegenstandsbezogenheit und ungegenständlichen Farbräumen sind es, die dazu beitragen, dass Birklhubers Bilder über lange Zeiträume Anlass für Entdeckungen bieten und man sich nicht „satt sehen“ kann.

Sein bisheriges Oeuvre belegt eindrücklich, dass es ihm gelingt, regelrechte Augenweiden zu schaffen – also Bildbereiche, die unsere Augen richtiggehend einladen, intensiv gesehen zu werden.

Viele Bilder drücken mit ihren in hochrhythmischen, kraftvollen Strichen aufgelegten Farbschichten die Freude am Leben aus. Für die lebensfrohe Grundstimmung der Bilder sind neben den offensichtlichen Bildinhalten die ebenso sorgfältig gewählten Farben von besonderer Bedeutung. Die von ihm gewählten Bildausschnitte verstärken diese Wirkung noch zusätzlich. 

Dies zeigt sich besonders bei jenen Bildern, die  - wären sie Fotos – als Schnappschüsse zu bezeichnen wären. Wir sehen Menschen, die sich in Alltagssituationen im Raum verhalten. Bei diesen Bildern kommt es ihm freilich nicht auf ein konkretes Porträt an, sondern vielmehr auf die Darstellung von Menschentypen in modellhaften Situationen. Sowohl der Gesichtsausdruck als auch die Gestik vermitteln uns die entsprechenden, tausendmal gesehenen und auch in unserer Körpererinnerung gespeicherten Wahrnehmungen. Diese Errinnerung schließlich ist es, die uns ein Wiederfinden, ein Einswerden mit der dargestellten

Situation ermöglicht. Eine nicht geringe Leistung des Malers Birklhuber! Gesteigert wird die

Wirkung durch die bei der Darstellung der Menschen verwendeten Farben und die Einbettung der Figuren in den sie umgebenden Farbraum. Dabei sucht der Maler selbst seine Farben und ist nicht mehr den Gegenstandsfarben unterworfen. Der Seheindruck wird korrigiert, wenn die gesehene Farbe nicht mehr in den Farbraum des Bildes passt. Mit diesem hochkünstlerischen Anspruch wird die Farbe selbst zum eigentlichen Gegenstand des Bildes. Das Bild selbst ist Dokument dieses Auswahl- und Entscheidungsprozesses.

Bei anderen Bildern zeigt sich dieses Verfahren in einem abgewandelten Sinn. Bilder, die an sich „fertiggemalt“ sind, werden in einem zusätzlichen weiteren Arbeitsschritt durch zusätzliche, eigenständige Farbschichten bedeckt, sodass eine weitere Tiefendimension – in einzelnen Bildern schließlich am Ende viele verschiedene Schichten – geschaffen wird.

Gerade dieses Verschütten, Verdecken, Verstecken löste einen besonderen Sehreiz und damit ein besonderes Interesse am Bild aus. Das Bild beginnt tatsächlich gerade durch sein vermeintliches Verschweigen des Gegenstandes zu sprechen. 

Bei manchen Bildern zeigt sich, dass – obwohl es ihm letztlich immer um die Farbe an sich geht – ihn doch der Gegenstand nicht so einfach loslässt. Immer wieder blitzt er auf oder wird – in einer gänzlich nicht-malerischen Weise – gar als Collage ins Bild integriert wird.

Birklhubers Arbeiten sind ein eindrücklicher Beleg für die Kraft der gegenstandsbezogenen

Malerei. Allerdings, und dies kann nicht überbewertet werden, dient ihm die Orientierung am Gegenstand als Einstieg, als Movens für eine weit in die gegenstandslose Welt der Malerei hineinreichende Gestaltung. Gerade diese Integration von gegenständlicher und ungegenständlicher Darstellung in einem Bild ist es, die die Aktualität und Bedeutung des Malers Harald Birklhuber ausmacht. 

Wenn nun Kofmann von sämtlichen Funktionen eines Bildes spricht und damit die

Ausdrucksform Bild umfassend beschreiben will, so kann dies auch so gelesen werden, dass ein Maler, der sowohl den Gesetzmäßigkeiten der Darstellung von Wirklichkeit, als auch der innerbildlichen Darstellung mit seinen malerischen Mitteln gewachsen ist, wohl ein umfassender Maler ist. Harald Birklhuber ist wohl einer dieser Seltenen.